Im Februar war ich die wenigste Zeit in der Oberlausitz und
auch nicht so recht in der Hauptstadt. I tripped.

Wir folgten einer Einladung
nach Japan, wo derzeit der Onkel meiner besseren Hälfte lebt. Japan, so richtig
stand dieses Land noch nie auf meinem Reisezettel. Was will ich denn auch in
Japan!? Sushi-Restaurants gibt’s ja schließlich genug in Berlin. Futon-Betten
sollen ja nicht die bequemsten sein. Wenn man wie ich großer Fan der Boxspringvariante
mit Doppelmatratze ist, darf man bitte schön doch erst recht skeptisch sein. Auch
Tom Cruise in „Der letzte Samurai“ hat nicht gerade meine Leidenschaft für das
Land im Fernen Osten entfesselt. (Ich glaube, es lag wirklich eher an Tom
Cruise als an dem portraitierten Land.) Und mal ganz ehrlich, über den Anblick
der Sumo-Ringer brauchen wir ja auch nicht groß zu reden. Jedes Mal, wenn ich
welche im Fernsehen sehe, schaue ich weg, da ich fürchte, diese gewickelte
kurze Hose könnte sich lösen. Klischees hin oder her, die Einladung stand, und
an Stefans Entschluss gab es erst recht nichts mehr zu rütteln: wir fliegen.
Spaß beiseite; natürlich war auch bei mir die Vorfreude
riesig, denn Reisen ist eine meiner großen Leidenschaften. Erst recht, wenn wir
ein Land mit einer besonders traditionellen Kultur und Lebensweise
besuchen, von dessen Geschichte ich erschreckend wenig weiß.
Auf ein Klischee freute ich mich ganz besonders: die unerschrockene
Höflichkeit, die den Japanern nachgesagt wird. Bei aller Hektik und
Unübersichtlichkeit, mit der ich in Tokio rechnete, war diese doch ein Lichtblick
im zu erwartenden Trubel.
Unser Weg führte uns über Tokio auf die südlichste Insel des
Landes, Kyushu. Es gab hunderte Eindrücke, die unsere Tage in Japan so
großartig machten. Eine kleine Auswahl habe ich versucht hier zusammenzufassen.
Die Mega-City: In Tokio verbrachten wir zu Beginn drei Tage
und am Ende unserer Reise noch einmal zwei Tage. Die Ausmaße der Stadt sind enorm
und kaum in Worte zu fassen. Zusammen mit Yokohama leben im Großraum Tokio 35
Mio. Menschen. Beim Blick über die Stadt von der Aussichtsplattform des Sky
Trees in 450 Metern Höhe murmelte ich ganz intuitiv auch ohne weitere
Sprachkenntnisse die typischen Zustimmungs- und Beeindrucktseingeräusche der
Japaner „Ooooooh“ und „Hmmmmm“. Beton so
weit das Auge reicht. Bei guter Sicht ist der ehrfürchtige Fuji als
gänsehauterzeugender Kontrast zu erkennen. Als ich ihn schließlich am dunstigen
Horizont ausmachte, entwich mir ein ganz besonders kräftiges „Ooooooh“. Ich
behaupte nahezu auf Muttersprachlerniveau! Das war wirklich ein toller Anblick.
Dass in Tokio Platz Mangelware ist, ist ja weithin bekannt.
Demnach hatte ich weder mit einem großen Hotelzimmer noch mit Sitzplätzen in
der Metro gerechnet. Und das war auch genau richtig so. Nur keine falschen Erwartungen.
In unserem gemütlichen Hotelschuhkarton habe ich mich wohl gefühlt und sich in
Tokio zu bewegen, ist gar kein Problem. Vorausgesetzt man hat erst einmal einen
Metroplan in englischer Sprache ergattert und auf dem Metroticketautomaten die
Umstelltaste für die englische Anzeige ausfindig gemacht. Das Tagesticket für alle Metrolinien und die
meisten Nahverkehrszüge kostet ca. 10,30 EUR. Das erscheint für den Radius, den
man damit erreicht, für die hohe Frequenz der Züge und die absolute Sauberkeit
der Bahnhöfe als auch in den Waggons nahezu lächerlich. Einziges Manko: der
öffentliche Nahverkehr ist nichts für Menschenscheue und Platzängstliche.
Rush-Hour ist mehr oder weniger zu jeder Zeit. Als ich mir sicher war, jetzt
passt unmöglich auch nur noch ein einziger Mensch in das Abteil, schafften es doch
noch weitere drei bis vier Personen aus der wartenden Traube hinein. Erstaunlicherweise
ohne großes Drängeln, Schubsen oder gar jemanden auf die Füße zu treten. Auch
das gehört zur unerschrockenen Höflichkeit. So brachte uns eine volle U-Bahn an
die, laut Reiseführer, weltweit betriebsamste Kreuzung, an der pro
Ampelschaltung inmitten der neonfarbenen Hochhausschluchten bis zu 1.000
Fußgänger die Straßenseiten wechseln. Ganz ehrlich, als wir so gemütlich im
Starbucks direkt an der Kreuzung saßen und das Geschehen bei einem entspannten
Green Tea Latte aus der ersten Etage der Café-Kette beobachteten, kam mir das
Ganze gar nicht sooo betriebsam vor. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich bis
zu diesem Erlebnis schon mehrmals die, ebenfalls laut Reiseführer, weltweit
betriebsamste Metro Station (Shinjuku) gemeistert hatte. An dieser lag nämlich
unser Hotel. Dort sollen täglich ca. 3,5 Mio. Menschen aus-, um- oder
einsteigen. Von dieser Station sind die Eingänge zu vier großen Kaufhäusern zu
finden. Zudem ist die Shinjuku-Station mit Japan Rail und den
Flughafen-Express-Zügen verbunden. Unterirdische Passagen führen zu Hotels,
öffentlichen Gebäuden und diversen Straßenzugängen. Den gesamten mehretagigen
Bahnhofskomplex begreift man in vollem Umfang erst mit einem sorgfältigen Blick
auf den Lageplan. Vom Nordausgang zum Südausgang ist man locker 20 bis 25
Minuten zu Fuß unterwegs. Ich glaube, wir können stolz sein, dass wir es
geschafft haben, uns nicht ein einziges Mal zu verlieren.
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Quelle: japan-guide.com |
Wer mich kennt, der ahnt, dass ich nicht allzu traurig war, als
wir Tokio hinter uns gelassen haben und mit dem Zug ins 1.300 km entfernte
Nagasaki auf der Insel Kyushu gefahren sind. Die Einwohnerzahl von ca. 500.000
versprach Beschaulichkeit pur, Traditionen, endlich das richtige Japan. Die
Fahrt mit dem Shinkansen war ein tolles Erlebnis. Die Züge sind breiter als bei
uns, in den bequemen Sitzen kommt ein wenig Wohnzimmeratmosphäre auf und
freundliches Personal bietet in regelmäßigen Abständen heiße und kalte Getränke
sowie ein paar Snacks an. Nach dem die Zugbegleiter ein Abteil passiert haben,
bleiben sie kurz noch einmal stehen und verneigen sich beim Verlassen des
Abteils vor den Passagieren. Auf mich wirkte diese Verabschiedung wie die ganz
hohe Schule der unerschrockenen Höflichkeit.
Baden und Pflege: Kyushu hat wesentlich milderes Klima und eine
durch Vulkane geprägte und sehr bergige Landschaft. An den Hängen sieht man
Teeterrassen und in den Tälern Reisfelder. Zwischendrin Orte andächtiger Ruhe; Schreine
und Tempel. Die große Besonderheit von Kyushu sind die geothermischen Gebiete
und heißen Quellen. In den letzten Jahren hatten wir bei Reisen nach Chile und
Neuseeland schon mehrmals Bekanntschaft mit geothermischen Gebieten machen
dürfen. Es ist immer wieder ein sehr beeindruckendes Schauspiel, wenn es aus
der Erde dampft, brodelt und kocht. Natürlich
werden die heißen Quellen auch in Japan für Bäder genutzt. Allerdings ist das
Baden in den japanischen Onsen (Bad mit heißen Quellen) an das Baderitual der
Sentos (öffentliche Badeanstalten aus der Zeit, als die wenigsten eigene Bäder
besaßen) angelehnt. Der Besuch eines Onsen ist mit Sicherheit die Krönung der
Erholung, spätestens beim zweiten Mal, wenn man sich an die relativ hohe
Badetemperatur (40 bis 42 Grad) gewöhnt hat und nicht mehr vollkommen
konzentriert den eigenen Herzschlag direkt unter der Schädeldecke verfolgt. Das
Baden erfolgt geschlechtergetrennt und ohne Badebekleidung in Becken, die
maximal knietief sind, so dass man gut darin sitzen kann. Vor dem Bad erfolgt
eine komplette Reinigung auf kleinen Plastikhöckerchen sitzend an Waschtischen
mit Brause und Spiegel vor dem Gesicht. In den vornehmen Hotel-Onsen werden
Shampoo, Conditioner, Body Wash, Lotion für Haut und Haare, diverse Öle und
Essenzen zur Körperpflege sowie Handtücher und ein traditioneller leichter
Baumwollbademantel zur Verfügung gestellt. Für Nichtjapaner wird die Vorfreude
auf das wohltuende Bad durch das ausführliche Reinigen an den kleinen
Waschtischen zu einer wahren Geduldsprobe. Schnell mal abbrausen wie vorm
Hallenbadbesuch ist hier komplette Fehlanzeige. Die Reinigung mit allem drum
und dran dauert gut und gerne bis zu einer halben Stunde. Ein Onsenbesuch, vor
allem im Winter in Bädern mit einem Außenbecken, ist ein unbeschreiblicher
Genuss. Nachdem ich im heißen Wasser beinahe die Welt vergessen und anschließend die
wohlriechenden natürlichen Sandelholz-, Jasmin- oder Yuzu- (japanische
Mandarine)Essenzen und -Öle ausprobiert hatte, bekam ich plötzlich ein ganz
schlechtes Gewissen als ich meinen Deoroller der Marke Dove aus dem Hause
Unilever in den Händen hielt. Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt,
diesen Onsen-Ort nie wieder zu verlassen. Zumindest nicht für die 90 Tage, für
die mein Besuchervisum galt. Lediglich das anschließende Essen, welches
traditionell nach einem Onsen-Besuch eingenommen wird, hat mich aus dem heißen
Wasser gelockt. Nach zwei Runden Sake und einem scheuen „Kanpai“, das ich mit
immer noch glühendem Kopf den Onsen-Mitstreiter mit ebenfalls roten Köpfen
erwiderte, war dann auch Schluss. Nichts, aber auch gar nichts, hätte es
geschafft mich in dieser Nacht aus dem Schlaf zu reißen.
Wie vielleicht schon aus der Beschreibung der Pflegeprodukte
in den Bädern zu vermuten, ist Japan ein wahres Paradies für Pflegekosmetik
aller Art. Für die Streifzüge durch die relevanten Kaufhausabteilungen und
Drogerien sollte man unbedingt ausreichend Zeit einplanen und für den
männlichen Anhang, falls dieser an diesem Thema kein Interesse finden sollte,
unbedingt einen Alternativzeitvertreib organisieren. Was allerdings schade
wäre, denn auch das Angebot for men ist ganz erstaunlich. Besonders großen Spaß
hatte ich daran, das zweite und dritte Markengesicht der Kosmetikmarke Shiseido
zu entdecken. Anders als bei uns, bedient diese Marke in Japan nicht nur das
Luxussegment, sondern hat eine Vielzahl an Produkten, die im Preis und bei der
Käuferschicht mit Nivea zu vergleichen sind. Zusätzlich gibt es noch eine ganze
Reihe Produkte, die sich zwischen Luxusregal und Supermarktpalette befinden. (Gleiches
gilt übrigens auch für Kanebo.)Der Stellenwert, den die Körperpflege in Japan
einnimmt, ist absolut beeindruckend. Zum einen ist das Angebot sehr vielseitig;
die meisten Produkte sind ökologisch erzeugt (OK, hier ist Shiseido vielleicht
nicht gerade das Paradebeispiel) und drittens sind die Cremes, Wässerchen &
Co. extrem liebevoll verpackt, vor allem bei Cosme Kitchen konnte ich mich kaum
satt sehen. Im Vergleich dazu erscheint dann das dm- und Rossmann-Sortiment für
Frauen gemacht, die den ganzen Tag harter Feldarbeit nachgegangen sind und sich
dann lediglich rustikal waschen möchten. Ja ich gebe zu, ein ganz kleinwenig
Kosmetik (sage ich), Tonnen an Fläschchen und Tübchen (sagt er) war in meinem
Rückreisegepäck zu finden. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Made in Japan für 100 Yen: Das allernützlichste Mitbringsel
war aber etwas ziemlich preiswertes aus einem sogenannten 100 Yen Shop. Die 100
Yen Shops sind in Japan ein weit verbreitetes Phänomen. Und perfekt, wenn man
nicht die ganze Haushaltskasse oder wie in unserem Fall, nicht die ganze
Reisekasse plündern möchte. Sprich, sie sind beliebt bei Touristen und
Einheimischen gleichermaßen. Wie der Name schon sagt, kosten die meisten Dinge
100 Yen, ca. 0,80 EUR. Zu finden ist von Küchenhelfern über Süßigkeiten,
Geschirr, Verpackung, Aufbewahrung, Kinderspielzeug, Stationary und
Geschenkartikeln so allerlei. Der Favorit unter den 100 Yen Shops ist Deiso.
Die Tatsache, dass Deiso sehr stark auf made in Japan achtet, machte mir den
Laden sehr sympathisch. Neben Porzellan-Reisschüsseln hat es mir dieses Gerät
angetan: ein pinkfarbener Mango Slicer. Vielleicht liegt es an meinem
Unvermögen, aber eine Mango zu zerlegen endete bei mir immer in einer Art
Massaker. Was habe ich auch um den Kern rumgeschnitten, egal welche Technik ich
am Ende angewandt habe. Wenn ich Glück hatte, brauchte ich kein Pflaster. Das
alles hat nun ein Ende, dank des pinkfarbenen Deiso Mango Slicers. Er
funktioniert wirklich und das richtig gut. Das scharfe Mitteldings trennt den
Kern aus der geschälten Mango sauber ab und hinterlässt zwei schöne
Fruchthälften, die man dann ohne große Mühe weiter zerkleinern kann. Gut, man
muss vielleicht nicht unbedingt nach Japan reisen, um einen Mango Slicer zu
finden. Ich kann mir vorstellen, dass ein Besuch auf der Amazonwebseite schon
reicht. Wie auch immer; wer Mangos mag und dieses Ding sieht, dem rate ich zum
Kauf.




Aber was soll ich sagen, zu Hause ist es natürlich auch wieder schön. Ich hoffe, ihr genießt den Vorfrühling. Bei uns im Garten
geht es auch schon langsam mit einem ganz zarten Grün los. Zur Beschleunigung
habe ich an erlaubter Stelle ein paar Frühblüher ausgegraben, die jetzt
hoffentlich und ganz unerschrocken höflich noch eine ganze Weile den Vorgarten
zieren mögen.
Liebe Grüße von
ps: Wer mag findet hier noch ein paar Reiseimpressionen
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