Mittwoch, 26. Februar 2014

Sag Ja zu Japan



Im Februar war ich die wenigste Zeit in der Oberlausitz und auch nicht so recht in der Hauptstadt. I tripped. 


Wir folgten einer Einladung nach Japan, wo derzeit der Onkel meiner besseren Hälfte lebt. Japan, so richtig stand dieses Land noch nie auf meinem Reisezettel. Was will ich denn auch in Japan!? Sushi-Restaurants gibt’s ja schließlich genug in Berlin. Futon-Betten sollen ja nicht die bequemsten sein. Wenn man wie ich großer Fan der Boxspringvariante mit Doppelmatratze ist, darf man bitte schön doch erst recht skeptisch sein. Auch Tom Cruise in „Der letzte Samurai“ hat nicht gerade meine Leidenschaft für das Land im Fernen Osten entfesselt. (Ich glaube, es lag wirklich eher an Tom Cruise als an dem portraitierten Land.) Und mal ganz ehrlich, über den Anblick der Sumo-Ringer brauchen wir ja auch nicht groß zu reden. Jedes Mal, wenn ich welche im Fernsehen sehe, schaue ich weg, da ich fürchte, diese gewickelte kurze Hose könnte sich lösen. Klischees hin oder her, die Einladung stand, und an Stefans Entschluss gab es erst recht nichts mehr zu rütteln: wir fliegen.

Spaß beiseite; natürlich war auch bei mir die Vorfreude riesig, denn Reisen ist eine meiner großen Leidenschaften. Erst recht, wenn wir ein Land mit einer besonders traditionellen Kultur und Lebensweise besuchen, von dessen Geschichte ich erschreckend wenig weiß.

Auf ein Klischee freute ich mich ganz besonders: die unerschrockene Höflichkeit, die den Japanern nachgesagt wird. Bei aller Hektik und Unübersichtlichkeit, mit der ich in Tokio rechnete, war diese doch ein Lichtblick im zu erwartenden Trubel.

Unser Weg führte uns über Tokio auf die südlichste Insel des Landes, Kyushu. Es gab hunderte Eindrücke, die unsere Tage in Japan so großartig machten. Eine kleine Auswahl habe ich versucht hier zusammenzufassen.

Die Mega-City: In Tokio verbrachten wir zu Beginn drei Tage und am Ende unserer Reise noch einmal zwei Tage. Die Ausmaße der Stadt sind enorm und kaum in Worte zu fassen. Zusammen mit Yokohama leben im Großraum Tokio 35 Mio. Menschen. Beim Blick über die Stadt von der Aussichtsplattform des Sky Trees in 450 Metern Höhe murmelte ich ganz intuitiv auch ohne weitere Sprachkenntnisse die typischen Zustimmungs- und Beeindrucktseingeräusche der Japaner  „Ooooooh“ und „Hmmmmm“. Beton so weit das Auge reicht. Bei guter Sicht ist der ehrfürchtige Fuji als gänsehauterzeugender Kontrast zu erkennen. Als ich ihn schließlich am dunstigen Horizont ausmachte, entwich mir ein ganz besonders kräftiges „Ooooooh“. Ich behaupte nahezu auf Muttersprachlerniveau! Das war wirklich ein toller Anblick.

Dass in Tokio Platz Mangelware ist, ist ja weithin bekannt. Demnach hatte ich weder mit einem großen Hotelzimmer noch mit Sitzplätzen in der Metro gerechnet. Und das war auch genau richtig so. Nur keine falschen Erwartungen. In unserem gemütlichen Hotelschuhkarton habe ich mich wohl gefühlt und sich in Tokio zu bewegen, ist gar kein Problem. Vorausgesetzt man hat erst einmal einen Metroplan in englischer Sprache ergattert und auf dem Metroticketautomaten die Umstelltaste für die englische Anzeige ausfindig gemacht.  Das Tagesticket für alle Metrolinien und die meisten Nahverkehrszüge kostet ca. 10,30 EUR. Das erscheint für den Radius, den man damit erreicht, für die hohe Frequenz der Züge und die absolute Sauberkeit der Bahnhöfe als auch in den Waggons nahezu lächerlich. Einziges Manko: der öffentliche Nahverkehr ist nichts für Menschenscheue und Platzängstliche. Rush-Hour ist mehr oder weniger zu jeder Zeit. Als ich mir sicher war, jetzt passt unmöglich auch nur noch ein einziger Mensch in das Abteil, schafften es doch noch weitere drei bis vier Personen aus der wartenden Traube hinein. Erstaunlicherweise ohne großes Drängeln, Schubsen oder gar jemanden auf die Füße zu treten. Auch das gehört zur unerschrockenen Höflichkeit. So brachte uns eine volle U-Bahn an die, laut Reiseführer, weltweit betriebsamste Kreuzung, an der pro Ampelschaltung inmitten der neonfarbenen Hochhausschluchten bis zu 1.000 Fußgänger die Straßenseiten wechseln. Ganz ehrlich, als wir so gemütlich im Starbucks direkt an der Kreuzung saßen und das Geschehen bei einem entspannten Green Tea Latte aus der ersten Etage der Café-Kette beobachteten, kam mir das Ganze gar nicht sooo betriebsam vor. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich bis zu diesem Erlebnis schon mehrmals die, ebenfalls laut Reiseführer, weltweit betriebsamste Metro Station (Shinjuku) gemeistert hatte. An dieser lag nämlich unser Hotel. Dort sollen täglich ca. 3,5 Mio. Menschen aus-, um- oder einsteigen. Von dieser Station sind die Eingänge zu vier großen Kaufhäusern zu finden. Zudem ist die Shinjuku-Station mit Japan Rail und den Flughafen-Express-Zügen verbunden. Unterirdische Passagen führen zu Hotels, öffentlichen Gebäuden und diversen Straßenzugängen. Den gesamten mehretagigen Bahnhofskomplex begreift man in vollem Umfang erst mit einem sorgfältigen Blick auf den Lageplan. Vom Nordausgang zum Südausgang ist man locker 20 bis 25 Minuten zu Fuß unterwegs. Ich glaube, wir können stolz sein, dass wir es geschafft haben, uns nicht ein einziges Mal zu verlieren.


Quelle: japan-guide.com


Wer mich kennt, der ahnt, dass ich nicht allzu traurig war, als wir Tokio hinter uns gelassen haben und mit dem Zug ins 1.300 km entfernte Nagasaki auf der Insel Kyushu gefahren sind. Die Einwohnerzahl von ca. 500.000 versprach Beschaulichkeit pur, Traditionen, endlich das richtige Japan. Die Fahrt mit dem Shinkansen war ein tolles Erlebnis. Die Züge sind breiter als bei uns, in den bequemen Sitzen kommt ein wenig Wohnzimmeratmosphäre auf und freundliches Personal bietet in regelmäßigen Abständen heiße und kalte Getränke sowie ein paar Snacks an. Nach dem die Zugbegleiter ein Abteil passiert haben, bleiben sie kurz noch einmal stehen und verneigen sich beim Verlassen des Abteils vor den Passagieren. Auf mich wirkte diese Verabschiedung wie die ganz hohe Schule der unerschrockenen Höflichkeit.

Baden und Pflege: Kyushu hat wesentlich milderes Klima und eine durch Vulkane geprägte und sehr bergige Landschaft. An den Hängen sieht man Teeterrassen und in den Tälern Reisfelder. Zwischendrin Orte andächtiger Ruhe; Schreine und Tempel. Die große Besonderheit von Kyushu sind die geothermischen Gebiete und heißen Quellen. In den letzten Jahren hatten wir bei Reisen nach Chile und Neuseeland schon mehrmals Bekanntschaft mit geothermischen Gebieten machen dürfen. Es ist immer wieder ein sehr beeindruckendes Schauspiel, wenn es aus der Erde dampft, brodelt und kocht.  Natürlich werden die heißen Quellen auch in Japan für Bäder genutzt. Allerdings ist das Baden in den japanischen Onsen (Bad mit heißen Quellen) an das Baderitual der Sentos (öffentliche Badeanstalten aus der Zeit, als die wenigsten eigene Bäder besaßen) angelehnt. Der Besuch eines Onsen ist mit Sicherheit die Krönung der Erholung, spätestens beim zweiten Mal, wenn man sich an die relativ hohe Badetemperatur (40 bis 42 Grad) gewöhnt hat und nicht mehr vollkommen konzentriert den eigenen Herzschlag direkt unter der Schädeldecke verfolgt. Das Baden erfolgt geschlechtergetrennt und ohne Badebekleidung in Becken, die maximal knietief sind, so dass man gut darin sitzen kann. Vor dem Bad erfolgt eine komplette Reinigung auf kleinen Plastikhöckerchen sitzend an Waschtischen mit Brause und Spiegel vor dem Gesicht. In den vornehmen Hotel-Onsen werden Shampoo, Conditioner, Body Wash, Lotion für Haut und Haare, diverse Öle und Essenzen zur Körperpflege sowie Handtücher und ein traditioneller leichter Baumwollbademantel zur Verfügung gestellt. Für Nichtjapaner wird die Vorfreude auf das wohltuende Bad durch das ausführliche Reinigen an den kleinen Waschtischen zu einer wahren Geduldsprobe. Schnell mal abbrausen wie vorm Hallenbadbesuch ist hier komplette Fehlanzeige. Die Reinigung mit allem drum und dran dauert gut und gerne bis zu einer halben Stunde. Ein Onsenbesuch, vor allem im Winter in Bädern mit einem Außenbecken, ist ein unbeschreiblicher Genuss. Nachdem ich im heißen Wasser beinahe die Welt vergessen und anschließend die wohlriechenden natürlichen Sandelholz-, Jasmin- oder Yuzu- (japanische Mandarine)Essenzen und -Öle ausprobiert hatte, bekam ich plötzlich ein ganz schlechtes Gewissen als ich meinen Deoroller der Marke Dove aus dem Hause Unilever in den Händen hielt. Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, diesen Onsen-Ort nie wieder zu verlassen. Zumindest nicht für die 90 Tage, für die mein Besuchervisum galt. Lediglich das anschließende Essen, welches traditionell nach einem Onsen-Besuch eingenommen wird, hat mich aus dem heißen Wasser gelockt. Nach zwei Runden Sake und einem scheuen „Kanpai“, das ich mit immer noch glühendem Kopf den Onsen-Mitstreiter mit ebenfalls roten Köpfen erwiderte, war dann auch Schluss. Nichts, aber auch gar nichts, hätte es geschafft mich in dieser Nacht aus dem Schlaf zu reißen.

Wie vielleicht schon aus der Beschreibung der Pflegeprodukte in den Bädern zu vermuten, ist Japan ein wahres Paradies für Pflegekosmetik aller Art. Für die Streifzüge durch die relevanten Kaufhausabteilungen und Drogerien sollte man unbedingt ausreichend Zeit einplanen und für den männlichen Anhang, falls dieser an diesem Thema kein Interesse finden sollte, unbedingt einen Alternativzeitvertreib organisieren. Was allerdings schade wäre, denn auch das Angebot for men ist ganz erstaunlich. Besonders großen Spaß hatte ich daran, das zweite und dritte Markengesicht der Kosmetikmarke Shiseido zu entdecken. Anders als bei uns, bedient diese Marke in Japan nicht nur das Luxussegment, sondern hat eine Vielzahl an Produkten, die im Preis und bei der Käuferschicht mit Nivea zu vergleichen sind. Zusätzlich gibt es noch eine ganze Reihe Produkte, die sich zwischen Luxusregal und Supermarktpalette befinden. (Gleiches gilt übrigens auch für Kanebo.)Der Stellenwert, den die Körperpflege in Japan einnimmt, ist absolut beeindruckend. Zum einen ist das Angebot sehr vielseitig; die meisten Produkte sind ökologisch erzeugt (OK, hier ist Shiseido vielleicht nicht gerade das Paradebeispiel) und drittens sind die Cremes, Wässerchen & Co. extrem liebevoll verpackt, vor allem bei Cosme Kitchen konnte ich mich kaum satt sehen. Im Vergleich dazu erscheint dann das dm- und Rossmann-Sortiment für Frauen gemacht, die den ganzen Tag harter Feldarbeit nachgegangen sind und sich dann lediglich rustikal waschen möchten. Ja ich gebe zu, ein ganz kleinwenig Kosmetik (sage ich), Tonnen an Fläschchen und Tübchen (sagt er) war in meinem Rückreisegepäck zu finden. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Made in Japan für 100 Yen: Das allernützlichste Mitbringsel war aber etwas ziemlich preiswertes aus einem sogenannten 100 Yen Shop. Die 100 Yen Shops sind in Japan ein weit verbreitetes Phänomen. Und perfekt, wenn man nicht die ganze Haushaltskasse oder wie in unserem Fall, nicht die ganze Reisekasse plündern möchte. Sprich, sie sind beliebt bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen. Wie der Name schon sagt, kosten die meisten Dinge 100 Yen, ca. 0,80 EUR. Zu finden ist von Küchenhelfern über Süßigkeiten, Geschirr, Verpackung, Aufbewahrung, Kinderspielzeug, Stationary und Geschenkartikeln so allerlei. Der Favorit unter den 100 Yen Shops ist Deiso. Die Tatsache, dass Deiso sehr stark auf made in Japan achtet, machte mir den Laden sehr sympathisch. Neben Porzellan-Reisschüsseln hat es mir dieses Gerät angetan: ein pinkfarbener Mango Slicer. Vielleicht liegt es an meinem Unvermögen, aber eine Mango zu zerlegen endete bei mir immer in einer Art Massaker. Was habe ich auch um den Kern rumgeschnitten, egal welche Technik ich am Ende angewandt habe. Wenn ich Glück hatte, brauchte ich kein Pflaster. Das alles hat nun ein Ende, dank des pinkfarbenen Deiso Mango Slicers. Er funktioniert wirklich und das richtig gut. Das scharfe Mitteldings trennt den Kern aus der geschälten Mango sauber ab und hinterlässt zwei schöne Fruchthälften, die man dann ohne große Mühe weiter zerkleinern kann. Gut, man muss vielleicht nicht unbedingt nach Japan reisen, um einen Mango Slicer zu finden. Ich kann mir vorstellen, dass ein Besuch auf der Amazonwebseite schon reicht. Wie auch immer; wer Mangos mag und dieses Ding sieht, dem rate ich zum Kauf.







Aber was soll ich sagen, zu Hause ist es natürlich auch wieder schön. Ich hoffe, ihr genießt den Vorfrühling. Bei uns im Garten geht es auch schon langsam mit einem ganz zarten Grün los. Zur Beschleunigung habe ich an erlaubter Stelle ein paar Frühblüher ausgegraben, die jetzt hoffentlich und ganz unerschrocken höflich noch eine ganze Weile den Vorgarten zieren mögen.





Liebe Grüße von 







ps: Wer mag findet hier noch ein paar Reiseimpressionen






Weihrauch und Adlerholz - Die Duftstoffe sollen Geist, Körper und Seele positiv durchdringen


Tsukiji-Fischmarkt, Tokyo

Carbon Steel





Chinese Street Food, Nagasaki

Festlich geschmückt, Chinese New Year, Nagasaki


Unzen, Kyushu


Traditionelles Restaurant

Marschverpflegung 


Thermalbecken mit Vulkanblick, Kagoshima

Noodle Heaven, Udon Nudelsuppe mit Dashi Soße


Popkultur und Schnee, Takeshita Dori, Tokyo

Sake Fässer am Meiji Shrine, Tokyo 

Die bezauberndste Geisha überhaupt