Montag, 26. August 2013

Hier, in meinem Revier - Ein Jagderlebnis


Kein heißer Dampf steigt bedeutungsvoll aus der Thermoskanne empor und auch ziehen keine Nebelschwaden andächtig über die Lichtung. Immerhin habe ich mein warmes Fleece dabei, falls es dann doch mit Einzug der Dunkelheit etwas kühler werden sollte. Für ein fröstelndes Händereiben ist es eindeutig zu früh im Jahr. Mitte August fegen nun mal keine Herbststürme durch die hügelige Landschaft, sondern eher recht gemächlich die Mähdrescher, die den gelblich-dunstigen Staub von frisch abgeernteten Getreidefeldern hinterlassen. Mein erster Jagdausflug musste also ganz ohne der herbstlichen Jagdromantik, so wie ich sie mir vorstellte, auskommen. Trotzdem hatte die Stimmung etwas sehr verheißungsvolles als wir mit dem 4x4 vom Asphalt in das Gelände abbogen und uns am Waldrand auf eine große Lichtung zubewegten. Heute durfte ich einen Jäger begleiten, der in der Oberlausitz vier Reviere betreut und mich zu einer der schönst gelegenen Kanzeln mitnahm. Hinter uns ein kleiner wilder Bach, weit abseits der Spaziergängerpfade, wild und zugewachsen, mit Baumstämmen, die Fischottern und Graureihern idyllische Ruheplätze bieten. Vor uns die Lichtung, einem Gemälde gleich. Das klingt sicher gerade ein wenig kitschig, es war aber genau so. Hier sollten wir also die nächsten zweieinhalb Stunden ansitzen. Ich war gespannt.   

Manfred Süße, seit mehr als 50 Jahren aktiver Jäger


„Meister Lampe, bleib lieber im Dickicht und sperre deine Lauscher gleich ganz ordentlich auf, damit du uns hoffentlich durch die Lappen gehst“, dachte ich als wir die letzten Meter zu Fuß bis zur Kanzel zurücklegten. 


 
Mir war klar, dass Statusdenken oder die Freude am Gebrauch einer Waffe die denkbar falschen Motivationen sind, um einen Jagdschein zu erwerben. Davon mal abgesehen wusste ich nicht viel, was das Thema Jagd betrifft. 

Meine erste Überraschung war, dass wir uns auf der Kanzel mehr oder weniger normal unterhalten konnten. Zwar gedämpfter als im Alltag, aber striktes flüstern ist nicht notwendig. Diese Tatsache trug natürlich wesentlich zum gelungenen Abend bei, denn so konnte ich allerlei Wissenswertes über die Aufgaben eines Revier-Jägers erfahren, während wir auf Rehe warteten, die in der Dämmerung den Wald für das Äsen verlassen. 



Bis dahin bin ich irgendwie davon ausgegangen, dass es der Jäger bestimmt auf ein Wildschwein abgesehen hatte. In meiner Vorstellung gehörten Wildschweine zu den meist erlegten Tieren. Fehlannahme. Wildschweine sind sehr schwer zu jagen, es soll sogar Jäger geben, die noch nie ein Wildschwein geschossen haben. Da Wildschweine nachtaktiv sind, wird man sie bei der Ansitzjagd aufgrund der Dunkelheit selten zu Gesicht bekommen. Außerdem hat vor allem das Schwarzwild einen sehr gut ausgeprägten Geruchsinn, den Menschen nehmen sie bis auf 300 m wahr. Das bedeutet, die Windrichtung muss stimmen, wenn man ein Wildschwein schießen möchte. Wildschweine sind zudem sehr hart im nehmen. Eine Schussverletzung können sie gut überleben und wieder auskurieren, der Jäger spricht hier von hartschüssig. Hat eine Rotte einen Verlust zu beklagen, wird die Leitbache gewissenhaft dafür Sorge tragen, dass dieses Gebiet längerfristig gemieden wird. Alles in allem ist die Schwarzwildjagd eine echte Herausforderung und braucht erfahrene Jäger.



Wichtiger als nicht zu sprechen, ist übrigens das Nichtbewegen. Wildtiere sind sogenannte Bewegungsseher. Das bedeutet, sie können sich ganz unbeeindruckt in nur ca. zwei bis drei Metern Abstand vom Jäger aufhalten, solange er sich nicht bewegt. 

Der Jäger hat die volle Verantwortung für sein Revier und muss garantieren, dass der Bestand gesund ist und in der Anzahl den forstlichen Vorgaben entspricht. Ein gesunder Schalenwildbestand besteht aus etwa sechs bis neun Tieren pro 100 ha. Als Revier-Jäger ist man für alle Schäden, die Wildtiere anrichten verantwortlich. Gegen Wildschäden gibt es keinerlei Versicherung, der Jäger muss im Falle eines Wildschadens diesen aus der eigenen Tasche begleichen. Deshalb wird meist für die Sicherung von landwirtschaftlichen Flächen gegen Schwarzwild zu anderen Mitteln gegriffen. Mit Hilfe von unangenehmen Duftstoffen oder durch die Anwendung von biologischen Mitteln in der Landwirtschaft werden die Schwarzkittel von den Flächen fern gehalten.  



Die Jagdflächen pachtet ein Jäger von den Eigentümern. Wald ist in Deutschland so gut wie kaum im Privatbesitz, sondern gehört den Kommunen, dem Bundesforstamt oder ist Forstfläche, die unter kirchlicher Verwaltung steht. Die Forstfläche meines ersten Jagdausfluges ist im Besitz der Herrnhuter Brüdergemeinde und ist somit ein Kirchenforst. In der Oberlausitz gibt es ca. 70 Reviere. Weiße Flecken auf der Verpachtungslandkarte gibt es derzeit nicht. Alle zur Verfügung stehenden Flächen sind verpachtet. Die Zahl der Personen mit einem gültigen Jagdschein dürfte etwas höher sein als die Anzahl der Revier-Jäger, denn auch ohne Pachtvertrag ist es möglich, auf die Jagd zu gehen. Pächter können einen sogenannten Begehungsschein gegen eine Gebühr, die im Ermessen des Pächters liegt, ausstellen. Alternativ kann der Pächter vom 'Freizeitjäger' einen bestimmten Preis für das erlegte Wild verlangen oder beide Varianten kombinieren.



Die Dämmerung ist mittlerweile der Dunkelheit gewichen. Rehe haben sich heute nicht blicken lassen, dafür konnte ich zwei Hasen beim verzückten Spiel auf der Lichtung durch das Fernglas beobachten. Meine anfängliche Sorge um das Wohl der Hasen war übrigens unbegründet. Aufgrund des geringen Bestandes in der Oberlausitz werden sie nicht geschossen.  

Spätestens beim Kapitel 'Wild aufbrechen' (Fleischerdasein mitten im Wald) fand ich es überhaupt nicht schlimm, dass heute kein Reh im Fadenkreuz des Zielfernrohrs zu sehen war. Die Ruhe des Waldes und den Blick über die Lichtung zu den tiefhängenden Tannen habe ich auch ohne Weidmannsheil sehr genossen. Mein Fazit des abendlichen Ausfluges; sieht man das Jagen unter dem Gesichtspunkt der Gesunderhaltung der Wälder, werde ich sicher einen solchen Ausflug wiederholen. Selbst als Freizeitjäger zum Gewehr greifen möchte ich nicht. Zum einen fehlt mir die Gabe, mein linkes Auge zu schließen, während mein rechtes geöffnet bleibt. Als Rechtshänder wäre dies aber sehr wichtig, um erfolgreich durch das Zielfernrohr zu schauen. (Die Vorstellung, dieses Unvermögen mit einer Schießbrille auszugleichen finde ich albern). Wie auch immer, mein Respekt vor einem Lebewesen wäre viel zu hoch, als dass ich im Freizeitumfeld Gefallen an der aktiven Jagd finden könnte.


Viele Grüße von










Für alle Hobbyköche und Wildliebhaber:

Wild direkt vom Jäger bei Manfred Süße, Fabrikgasse 4, 02708 Obercunnersdorf. Verkauf täglich nach telefonischer Anmeldung unter +49 (0)35875 60208